Fritz Mende

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Fritz Mende um 1872.[1]

Fritz Mende (eigentlich Friedrich Mende) (* 26. Oktober 1843 in Liebemühl, Regierungsbezirk Königsberg; † 3. Juli 1879 in Homburg[2]) war ein früher sozialdemokratischer Politiker, Präsident des Lassalleschen Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (LADAV) und Mitglied des Norddeutschen Reichstages.

Leben und Wirken

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Der Vater von Mende war der Arzt oder nach anderen Berichten Dorfschullehrer Karl Mende. Mende trat nach der Schule möglicherweise zunächst in ein Lehrerseminar ein, bevor er als Gehilfe im Handel arbeitete. (Die Unsicherheiten in der frühen Biographie hingen mit dem Versuch eigener Legendenbildung und Widersprüchen in Mendes Polizeiakte zusammen.) Seit 1861 lebte er in Berlin[3] und hielt sich mit Gelegenheitsarbeiten und als Lokalreporter über Wasser. Eine Reihe von Zeitungen haben Mende nach kurzer Zeit wegen Unzuverlässigkeit entlassen. Im Jahr 1861 wurde er wegen inzwischen aufgelaufener Schulden verhaftet und aus Berlin ausgewiesen. Militärdienst brauchte Mende wegen Untauglichkeit nicht zu leisten. Am 15. November 1866 trat Mende in Dresden in den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) ein,[4] ohne sich dabei zunächst hervorzutun.

Im Rahmen des Vereins kam er in Kontakt mit der Gräfin Hatzfeldt. Seither lebte er von deren Geld und hat sich in ihrem Sinn in der Arbeiterbewegung betätigt. Bei seinen Auftritten versuchte er Ferdinand Lassalles Habitus als Intellektueller nachzuahmen und hat sich sogar zeitweise einen Doktortitel angemaßt.[5] Da Anspruch und Wirklichkeit nicht übereinstimmten, trug ihm dies von der Presse vielfachen Spott ein.

Als Gefolgsmann[6] und zeitweise Lebensgefährte der Gräfin Hatzfeldt gehörte er zu den Gründern des vom ADAV abgespaltenen Lassalleschen Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (LADAV). Im Juli 1867 übernahm Mende von Friedrich Wilhelm Emil Försterling zunächst die faktische Leitung des Vereins.[7] Im Jahr 1868 übernahm er dann auch nominell die Präsidentschaft. Im Verlauf seiner Agitation für den LADAV wurde er 1868 wegen eines Vorfalls in Düsseldorf erstmals verurteilt.

Im Februar 1869 legten vier sächsische Reichstagsabgeordnete, darunter Friedrich Raimund Sachße (Wahlkreis VIII, Altliberale) und Hermann Schreck (Wahlkreis IX, Deutsche Fortschrittspartei) ihre Mandate nieder. In der Nachwahl zur Reichstagswahl August 1867 erhielt Mende im Wahlkreis VIII (Pirna) 1732 Stimmen (25 %), jedoch erhielt Arthur Eysoldt (Deutsche Fortschrittspartei) das Mandat in diesem Wahlkreis. Im IX. Wahlkreis (FreibergOederan) siegte Mende dagegen in der Stichwahl[8][9] mit 5615 Stimmen gegen Ludwig von Burgsdorff[10] (Konservative Partei), der 4488 Stimmen erhielt.[11] Mende zog nach Berlin und übergab Heinrich Nendel das Präsidium bzw. Vize-Präsidium des LADAV, der den Sitz von Dresden nach Leipzig verlegte.

Größeres Aufsehen erregte die Verhaftung Mendes wegen eines Krawalls in Mönchen-Gladbach am 4. April 1869, da die Polizei ihn trotz seiner Immunität als Abgeordneter inhaftiert hatte.[12] Erst auf Intervention des Reichstages wurde er wieder freigelassen.[13][14] Im Jahr 1872 führten diese Vorgänge zu einer Verurteilung zu sechs Monaten Gefängnis,[15] die Mende aus Krankheitsgründen nicht abzusitzen brauchte.

Am 16. Juni 1869 beschlossen J. B. von Schweitzer und Mende die Vereinigung ihrer Organisationen auf der Grundlage des Statutes von 1863 und verkündeten dies im Social-Demokrat vom 18. Juni unter der Überschrift „Wiederherstellung der Einheit der Lassaleschen Partei“.[16][17] In ihrem Testament vom 23. Juli 1869 bestimmte die Gräfin Hatzfeld, dass Mende nach ihrem Tode ihre Biografie schreiben und veröffentlichen sollte. Mende starb aber vor ihr.[18]

Am 28. November 1870 enthielten sich August Bebel, Wilhelm Liebknecht der Stimme, Mende jedoch mit den anderen sozialdemokratischen Abgeordneten stimmte für die Kriegskredite für den Deutsch-Französischen Krieg.[19][20]

Die letzten Jahre Mendes sind von zahlreichen Krankheiten überschattet, die ihn zur Unterbrechung seiner politischen Tätigkeit zwangen. Die Nebenwirkungen des verabreichten Morphiums trugen zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bei. Der Versuch 1871 in den Reichstag des neuen Deutschen Reiches einzuziehen scheiterte. In der Folge verschlimmerte sich sein gesundheitlicher Zustand immer mehr. Im Jahr 1873 gab Mende seine Position im faktisch schon nicht mehr existenten LADAV auf. Etwa ein Jahr später zog die Gräfin Hatzfeldt zusammen mit Mende in ein Haus in Heddernheim, um den inzwischen hochgradig morphiumsüchtigen Mende zu pflegen.[21]

Bei der Reichstagswahl 1871 kandidiert Mende letztmals für den Reichstag im Gladbach. Er erhielt dort 2046 Stimmen, gewählt wurde Franz Josef Kratz mit 7797 Stimmen.[22]

Im Juni 1872 musste die Freie Zeitung ihr erscheinen einstellen. Damit war der LADAV praktisch tot. Friedrich Mende starb am 3. Juli 1879 in Bad Homburg vor der Höhe eines natürlichen Todes.[23][24]

Veröffentlichungen

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  • Politische Sünden. Roman aus der russischen Geschichte 1742. Grunow, Leipzig 1865. Digitalisat
  • Ein Hazard der Liebe. Novelle. In: Der Bazar. Illustrirte der Damen-Zeitung. Bazar-A.G., Berlin 1866. XII. Jg., Nr. 32 vom 23. August 1866, S.  258–260. MDZ Reader
  • Herr J. B. von Schweitzer und die Organisation des Lassalle’schen Allgemeinen deutschen Arbeitervereins. Ein Antrag an den Vorstand. Verlag des Lassalle’schen Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, Leipzig 1869.[25]
  • Wiederherstellung der Einheit der Lassalle’schen Partei. gez. F. Mende, J. B. v. Schweitzer. In: Freie Zeitung des Lassalle’schen Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Vereins. Leipzig 1869 vom 18. Juni 1869.
  • Organisationsfragen. In: Freie Zeitung des Lassalle’schen Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Vereins. Leipzig Nr. 95 vom 23. Oktober 1869 und Nr. 96 vom 30. Oktober 1869.
  • Die Allgemeine Deutsche Arbeiter-Versicherungs-Genossenschaft. Verlag des Lassalle’schen Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, Leipzig 1870.
  • Der Unterrock in der Weltgeschichte. In: Seifenblasen. Humoristisch-satyrisches Sonntagsblatt. Dresden 1868, Nr. 26 vom 28. Juni 1868, S. 102 und S. 103. Digitalisat
  • Ein neuer Refrain. In: Kladderadatsch vom 23. Mai 1869.
  • Heinrich Gröteken:[26] Herr Fritz Mende und seine Grundsätze. Ein Wort zur Charakterisierung der Social-Demokratie und zur Volksaufklärung. Schwann, Köln / Neuss 1871.
  • August Bebel: Aus meinem Leben. Bearbeitet von Ursula Hermann unter Mitarbeit von Wilfried Henze und Ruth Rüdiger. Dietz Verlag, Berlin 1983 (=August Bebel. Ausgewählte Reden und Schriften. Band 6), S. 132, 162, 164 f., 171, 225 f., 230–233, 235, 237, 251, 257, 260, 308, 321.
  • Ernst Heilmann: Geschichte der Arbeiterbewegung in Chemnitz und dem Erzgebirge. Sozialdemokratischer Verein für den 16. Sächsischen Reichtagswahlkreis, Chemnitz 1912, S. 22–55. Sachsen digital
  • Gustav Mayer: Johann Baptist von Schweitzer und die Sozialdemokratie. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Gustav Fischer, Jena 1909, S. 273, 296 f., 312 ff., 319, 324, 328, 345, 351 f., 355, 438, 447. Digitalisat archive.org
  • August Bebel: Aus meinem Leben. Bearb. von Ursula Hermann unter Mitarbeit von Wilfried Henze und Ruth Rüdiger. Dietz Verlag, Berlin 1983. (= August Bebel. Ausgewählte Reden und Schriften. Band 6).
  • Werner Ettelt, Hans-Dieter Krause: Der Kampf um eine Gewerkschaftspolitik in der deutschen Arbeiterbewegung von 1868 bis 1878. Verlag Tribüne, Berlin 1975, S. 132, 142–143, 148–149, 155, 208–211.
  • Dieter Fricke: Die Deutsche Arbeiterbewegung. 1869–1914. Ein Handbuch über ihre Organisation und Tätigkeit im Klassenkampf. Dietz Verlag, Berlin 1976, S. 62, 71, 84–86, 378, 555.
  • Protokolle und Materialien des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (inkl. Splittergruppen). Nachdruck hrsg. von Dieter Dowe. J. H. W. Dietz Nachf., Berlin, Bonn 1980. ISBN 978-3801-22094-5
  • Christine Kling-Mathey: Gräfin Hatzfeldt. 1805 bis 1881. Eine Biographie. J. H. W. Dietz Nachf, Bonn 1989. ISBN 3-8012-0142-2, S. 196 ff, 200 f., 203–207, 211, 224 f., 230, 247, 298–305, 308 f.
  • Toni Offermann: Die erste deutsche Arbeiterpartei. Organisation, Verbreitung und Sozialstruktur von ADAV und LADAV 1863–1871. J. H. W. Dietz Nachf, Bonn 2002, ISBN 3-8012-4122-X, S. 170–176 (Buchausgabe + CD-ROM).
Commons: Fritz Mende – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Inserat von Julius Nöthing. Leipzig im August 1872. In: Die Gegenwart. Nr. 32, Berlin 1872, S.  144. Digitalisat
  2. Ohne Titel. In: Augsburger Abendzeitung. Nr. 190, 12. Juli 1879, S. 3, mittlere Spalte ganz unten letzter Absatz (MDZ-Reader [abgerufen am 31. Oktober 2019]): „Der bekannte Sozialdemokrat Fritz Mende, dessen Tod aus Homburg gemeldet wurde, war, wie der Homburger „Taunusbote“ meldet, schon seit lange sehr leidend und in letzter Zeit in einer fortgesetzten heftigen nervösen Erregung. Der Genuß von Morphium, der ihm früher einmal ärztlich empfohlen worden war und dem er nicht mehr zu entsagen vermochte, steigerte diesen krankhaften Zustand bis zur drohenden Geistesstörung. Am Donnerstag den 3. Juli, machte ein Herzschlag seinem Leben ein jähes Ende. Der Hingeschiedene ist zu Königsberg [(sic!)] geboren, wo sein Vater Stabsarzt war. Er erreichte ein Lebensalter von nur 35 [(sic! so auch in der Sterbeurkunde)] Jahren und hinterläßt eine betagte Mutter. Der „Berl. B.-K.“ schreibt über ihn: Fritz Mende war eine der unsympatischsten Erscheinungen in den Reihen der Sozialdemokratie, ja – bei seinen eigenen Parteigenossen hat er niemals irgend welche Geltung gehabt und wurde nach kurzer Zeit auch bei ihnen gründlich verhaßt.“
  3. In den Berliner Adressbüchern 1861, 1862 und 1863 ist er dort nicht eingetragen, weil er vermutlich nur Untermieter war.
  4. Faksimile der Mitgliedskarte in: Toni Offermann: Die erste deutsche Arbeiterpartei. Organisation, Verbreitung und Sozialstruktur von ADAV und LADAV 1863–1871, S.  170.
  5. Paul Lindau: Harmlose Briefe eines deutschen Kleinstädters. Payne, Leipzig 1870, S. 36 (books.google.de).
  6. „Der Lause-Mende der alten Hatzfeldt ist früher wandernder Improvisator und Deklamator gewesen, ein durch und durch dem Lumpenproletariat zugehöriges Stück Vieh.“ (Karl Marx an Friedrich Engels 8. Mai 1869 Marx-Engels-Werke, Band 32, S. 316.)
  7. Toni Offermann: Die erste deutsche Arbeiterpartei. Organisation, Verbreitung und Sozialstruktur von ADAV und LADAV 1863–1871, S.  178.
  8. Wolfgang Schröder: Leipzig – die Wiege der deutschen Arbeiterbewegung. Wurzeln und Werden des Arbeiterbildungsvereins 1848/49 – 1878/81. Karl Dietz Verlag, Berlin 2010. ISBN 978-3-320-02214-3, S. 166.
  9. Dieter Fricke: Die Deutsche Arbeiterbewegung. 1869–1914. Ein Handbuch über ihre Organisation und Tätigkeit im Klassenkampf. S. 555.
  10. Demokratisches Wochenblatt. Nr. 13 vom 27. März 1869, S. 147.
  11. A. Phillips: Die Reichstagswahlen von 1867-1883. Statistik der Wahlen zum konstituirenden und norddeutschen Reichstag, zum Zollparlament, sowie zu den fünf ersten Legislaturperioden des deutschen Reichstags. Louis Kerschels Verlags-Buchhandlung, Berlin 1883, S. 138. Digitalisat archive.org.
  12. „Verhaftete man doch neulich sogar einen ‚Reichstagsabgeordneten‘, und würde doch derselbe noch heut im Gefängnis sitzen, wenn die Nationalliberalen nicht durch ein Lächeln Bismarcks von der Harmlosigkeit des ‚Märtyrers‘ überzeugt worden wären.“ (Der Leipziger Hochverratsprozess vom Jahre 1872. Neuhrsg. von Karl-Heinz Leidigkeit. Rütten & Loening, Berlin 1960, S. 246.)
  13. Der Antrag von Rudolf von Bennigsen auf Freilassung Mendes wurde mit 107 zu 90 vom Reichstag angenommen. (Hans Blum: Persönliche Erinnerungen an den Fürsten Bismarck, Albert Langen, München 1900, S. 49.Digitalisat)
  14. Allgemeine Zeitung. Augsburg Nr. 36 vom 5. Februar 1870.
  15. Berliner Gerichts-Zeitung Nr. 66 vom 11. Juni 1872.
  16. August Bebel: Aus meinem Leben. S. 230–231.
  17. Der Artikel erschien auch gleichzeitig in der Freien Zeitung. (Christine Kling-Mathey: Gräfin Hatzfeldt. 1805 bis 1881. Eine Biographie. S. 200 ff.)
  18. Christine Kling-Mathey: Gräfin Hatzfeldt. 1805 bis 1881. Eine Biographie. S. 303 f.
  19. Wolfgang Schröder: Leipzig – die Wiege der deutschen Arbeiterbewegung. Wurzeln und Werden des Arbeiterbildungsvereins 1848/49 – 1878/81, S. 132.
  20. August Bebel: Aus meinem Leben, S. 321.
  21. „Mende war ein Hohlkopf, der sich in den Diensten der Gräfin physisch so heruntergebracht hatte, daß er ohne Morphiuminjektion nicht zu reden wagte, und seine Reden mit den Worten schloß: ‚Ich habe gesprochen‘, was jedesmal große Heiterkeit im Reichstag erregte.“ (August Bebel: Aus meinem Leben, S. 321.)
  22. A. Phillips: Die Reichstagswahlen von 1867-1883. Statistik der Wahlen zum konstituierenden und norddeutschen Reichstag, zum Zollparlament, sowie zu den fünf ersten Legislaturperioden des deutschen Reichstags. Louis Kerschels Verlags-Buchhandlung, Berlin 1883, S. 106. Digitalisat archive.org.
  23. Sterbeeintrag Nr. 98/1879 vom 4. Juli 1879.
  24. "1879 nahm sich Mende mit einer Schusswaffe das Leben" (Toni Offermann: Die erste deutsche Arbeiterpartei. Organisation, Verbreitung und Sozialstruktur von ADAV und LADAV 1863–1871 nennt für den Selbstmord keine Quelle.)
  25. Christine Kling-Mathey geht davon aus, dass Sophie von Hatzfeldt den Text erheblich beeinflusst hat. (Christine Kling-Mathey: Gräfin Hatzfeldt. 1805 bis 1881. Eine Biographie, S. 301.)
  26. Heinrich Gröteken im Lexikon Westfälischer Autorinnen und Autoren